Im Bewusstsein der Brucker/innen ist eines noch immer klar verankert: Das historische Zentrum rund um Amperbrücke und Hauptplatz ist auch das Zentrum der Stadt. Tatsächlich hat sich aber im Lauf der Stadtentwicklung der letzten Jahr(zehnte) etwas verändert. Mit der Aufwertung des Geschwister-Scholl-Platzes am S-Bahnhof Buchenau ist hier ein weiteres Stadt(teil)zentrum entstanden. Durch seine günstigen Parkmöglichkeiten hat es der Innenstadt als Einkaufsort zumindest für Artikel des täglichen Bedarfs deutlich den Rang abgelaufen, was sichtbare Auswirkungen auf die Läden der Innenstadt hat. Die anstehende Überplanung des Fliegerhorstes wird einen weiteren Schwerpunkt in der Struktur von Stadtbereichen schaffen. Dieser Aspekt muss deshalb unbedingt bereits jetzt Eingang finden in eine vorausblickende Stadtentwicklungsplanung, die eine voraussichtliche Entwicklung hin zu drei zukünftigen Stadtzentren im Blick hat.

Die Aufgabe: Stärken festlegen und dementsprechend planen

Generell gilt es, nach dem Prinzip der „kurzen Wege“ für die Bewohner eines Stadtviertels die Lebensbereiche Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Bildung und Soziales sowie Kultur möglichst eng zusammen zu führen. Alle diese Bedürfnisse sollten also überall auf möglichst kurzem Weg erreichbar sein. Das betrifft aber hauptsächlich die Grundbedürfnisse. Nicht in jedem Stadtviertel kann man eine Oper oder eine Universität planen.

Die Brucker Stadtpolitik hat in den letzten 15 Jahren zu Recht Wert darauf gelegt, den bis dahin vernachlässigten Westen aufzuwerten. Tatsächlich ist so ein Viertel entstanden, in dem die beschriebenen „kurzen Wege“ weitgehend Realität geworden sind. Das neue Stadtteilzentrum am Geschwister-Scholl-Platz ist zudem in der Lage, die bis dahin nicht nur durch die Eisenbahnstränge geteilten Bereiche zwischen der Alt-Buchenau und den Wohnblöcken am Drudenbogen zu einem Viertel zu integrieren.

Es hat sich aber herausgestellt, dass dieser Aufschwung auf der einen Seite zu einem merklichen Abschwung des ursprünglichen Zentrums in der Innenstadt geführt haben. „Ladensterben“ wurde dort plötzlich ein Thema und die Frage der automobilen Erreichbarkeit sowie Parkmöglichkeiten wird nach wie vor in Konkurrenz zu den flexiblen Möglichkeiten in der Buchenau ausgiebig diskutiert.

Auch als Reaktion darauf wurde mit dem Konzept „Leben findet Innenstadt“ als Vorläufer des seitens der SPD hier angestoßenen Vorschlags zu einer weiteren, integrierten Stadtplanung versucht, hier gegenzusteuern. Es wurden viele Ziele und Maßnahmen gefunden, die bis heute nur in einzelnen Mosaikstückchen umgesetzt wurden (dazu mehr unten).

Gerade die Kernaussagen dieses ersten, auch bürgerbeteiligten Planungsprozesses haben aber ihre Gültigkeit behalten. Es macht hier keinen Sinn, gegen die jetzt in der Buchenau etablierte, konzentrierte Marktmacht von Lidl, Aldi, AEZ und C&A anstinken zu wollen. Sehr wohl aber hätte die Innnenstadt mit einem breitem Spektrum an kleinen Läden und vielfältiger Angebotsstruktur die Möglichkeit, einen bewusst davon abgesetzten Magneten zu bilden (wenn die im Gefolge der Banken sich etabliert habenden Optiker- und Mobilfunkketten auch wieder wirtschaftlich tragfähige Begleitung aus anderen Angeboten bekommen würden).

Als einer der Hauptgründe für die eigentlich fehlende Attraktivität des Innenstadtbereichs wurden schon damals (2006-2008) die fehlende Aufenthaltsqualität identifiziert. Die Einkaufsmöglichkeiten befindet sich allesamt am Rand viel befahrener Hauptverkehrsstraßen, was zum Verweilen eben nicht gerade beiträgt. Es gäbe aber gerade im Innenstadtbereich genügend Möglichkeiten im Hinterbereich (Viehmarkt, Aumühle, Niederbronner Platz und entlang der Amper), solche Bereiche zu schaffen und urban zu gestalten. Sie werden und wurden nur sehr zögerlich umgesetzt und vielfach fehlt der Blick auf das übergeordnete Ziel. Auch wird die Frage des Parkraums nach wie vor überbewertet.

Dieser erste Anriss der Entwicklungen vergangener Jahre wird auf den nachfolgenden Seiten weiter vertieft werden. Aktuell bedeutet er vor allem eines: Die fehlende Einsicht in stadtplanerische Gesamtzusammenhänge, wie sie sich aus der eigentlich ungewollten Konkurrenz zwischen Buchenau und Innenstadt ergeben haben, dürfen sich nicht wiederholen. Es steht aber außer Frage, das mit einer Entwicklung des Fliegerhorstes ein drittes Zentrum entstehen wird. Das ergibt sich allein schon aus der Größe des Areals und den ersten, vorsichtigen Schätzungen, hier etwa 5.000 Menschen ansiedeln zu wollen.

Zukünftiges Dreieck in der Stadtstruktur

Nimmt man eine zukünftige Entwicklung des Fliegerhorstes als gegeben hin (was die SPD wie momentan der gesamte Stadtrat tut), wird es in FFB zukünftig drei Stadtteile geben, nämlich den Innenstadtbereich, den Westen und den Osten, die sich wie ein auf die Amper zeigendes Dreieck gruppieren. Wegen der Lage am gekrümmten Amperarm wird die Stadtfläche auch gerne mit einer Banane verglichen, deren Stil dann die Buchenau wäre, das Ende der Fliegerhorst und der Bauchkörper die Innenstadt.
In einer Weiterentwicklung des Projekts „Leben findet Innenstadt“ hin zu einer integrierten Stadtentwicklungsplanung für die Zukunft der Gesamtstadt ginge es jetzt darum, übergeordnete Ziele für diese Stadtteilzentren festzulegen, die aufeinander abgestimmt sind. Das bedeutet, dass diese Teilzentren ihre eigenen Stärken ausspielen können sollen und in diesen nicht gegeneinander konkurrieren, alle aber ihre Grundversorgung in kurzen Wegen haben müssen.

Der Westen und die Buchenau

Bereits zutreffend dargestellt wurde die Magnetwirkung des Geschwister-Scholl-Platz als Einkaufsmeile des täglichen Bedarfs, ergänzt durch das Kino. Hier schätzen auch viele Ortsfremde die einfache Anfahrbarkeit über die B 471 und die bequemen Parkmöglichkeiten. Diese Stellung wird wohl (und sollte auch) konkurrenzlos bleiben. Eine weitere Ansiedlung kleinerer Läden mit Zusatzbedarf dagegen wird schon räumlich kaum möglich sein.

Ein weiterer Vorteil des ganzen Viertels dürfte sicherlich in der Nähe zum Rohtschwaiger Wald und der umliegenden Natur liegen, die fast fußläufig erreichbar ist und vielfältige Freizeitmöglichkeiten bietet.

Die Innenstadt

In der Innenstadt verfügt der neue City-Point an der Schöngeisinger Straße durchaus über ähnliche Parkmöglichkeiten wie in der Buchenau. Warum aber sollte sich ein Ortsfremder allein deswegen in das Verkehrsgewühl der Innenstadt stürzen, wenn er diesen Bedarf wesentlich einfacher in der Buchenau erledigen kann?

Die erwähnte Kernaussage, sich hier eher auf eine Angebotsvielfalt kleinerer (und strukturell ja vorhandener) Läden zu stützen, erscheint nach wie vor richtig. Genauso richtig die These, deren Besuch durch eine wesentlich verbesserte Aufenthaltsqualität zu stützen. Trotz aller Bemühungen wird der Autoverkehr aber entlang der Hauptadern bestehen bleiben. Die Möglichkeiten, autofreie und fußläufige Zonen in den nicht oder schlecht genutzten Hinterhöfen des ganzen Areals sowie entlang der Amper zu bilden, existiert aber nach wie vor und kann genutzt werden.

Besonders betrift das auch das Areal zwischen Aumühle und Lände, dessen urbane Entwicklung den Zusatznutzen bieten würde, das abseits liegende Klosterareal auch räumlich an das Stadtviertel Innenstadt anzubinden oder zumindest anzunähern. Nicht zu unterschätzen sind auch sich bietende Möglichkeiten, sowohl Kloster wie den Bahnhof durch quer durch die Innenstadt verlaufende, wirklich attraktive Fuß- und Radwege mit deutlichen Vorteilen gegenüber dem Straßenverkehr anzubinden.

Der Fliegerhorst

Gottlob herrscht offenbar Einigkeit darüber, dass hier keine Schlaf- oder Trabantenstadt entstehen soll, sondern ein lebendiges neues Stadtvierteil der kurzen Wege mit einem gesunden Mix aus Gewerbe und Wohnen. Sicher muss hier einiges an Infrastruktur (Schulen, Kitas, Versorgung) neu errichtet werden, anderes ist aber im Erbe der Bundeswehr enthalten und kann übernommen werden. Dazu zählen natürlich die schon vorhandenen Pläne betreffend Museum und Gedenkstätte Olympia-Attentat 1972, aber auch das Casino als möglichem zukünftigen Versammlungsort und die Sportstätten (Schwimmbad).
Im Sinne des dargestellten Stärkenkonzeps fehlt aber natürlich die eigene, besondere Stärke, die dieses Viertel zukünftig auszeichnen könnte. Die Möglichkeit von Bildungseinrichtungen wurden sinnvollerweise bereits angedacht, haben aber leider zu keinem Ergebnis geführt. Eine weitere, erwägenswerte Stärke liegt aber auch im Erbe der Fläche. Immer noch sind hier großzügige und schützenswerte Grünanlagen und Wildtierbestand vorhanden. Möglicherweise liegt hier der Schlüssel zu eigener Stärke des Viertels, sozusagen einer urbanen Gartenstadt mit verdichteten Wohnflächen inmitten einer grünen Oase (während sie überall anderswo außerhalb liegt).

Ein Problem kommt allerdings hinzu, das alle Zielvorstellungen berücksichtigen müssen: Die gesamte Fläche betrifft auch das Gebiet der Gemeinden Maisach, Emmering und Olching. In Maisach sind ja bereits Tatsachen geschaffen worden mit der Ansiedlung von BMW und der vielleicht folgenden Trabrennbahn. Hier erscheint eine zukünftige Zusammenarbeit dringend nötig, wenn Brucker Vorstellungen eines Stadtviertels nicht an den Gemeindegrenzen enden sollen.

Mögliche Schwerpunktziele für die künftigen Stadtzentren

Unbeschadet einer folgenden, öffentlichen Diskussion und weiterer Vertiefung könnten sich aus diesen Überlegungen folgende Schwerpunktziele, sozusagen als Überschriften für dann daraus abzuleitende Unterziele für die einzelnen Quartiere ergeben:
Im Westen liegt eher ein Schwerpunkt auf Ausbau der sozialen Infrastruktur und Ergänzung bzw. Ausbau interner Grünzüge nahe.
In der Innenstadt sollten auch weiterhin öffentliche Räume im Hintergrund der Hauptverkehrsachsen und entlang der Amper entstehen und diese mit einem attraktiven Fuß- und Radwegesystem vernetzt werden. Erhalt oder Neuschaffung bezahlbaren Wohnraums gerade auch in der Innenstadt erscheint auch weiter wichtig, aber nicht vorrangig.

Am Fliegerhorst liegt der Schwerpunkt sicher im neu zu schaffenden Wohnraum. Dieser sollte aber eine urbane, im Inneren verkehrsarme Struktur erhalten und mit verträglichem Gewerbe durchmischt werden, um hier analog zum Bevölkerungszuwachs auch Arbeitsplätze ansiedeln zu können. Besonders die vorhandenen Grünflächen sollten so weit als möglich erhalten bleiben.

Alle drei neuen Zentren sollen gut miteinander vernetzt werden. Besonders attraktive und vom Straßenverkehr abgesetzte Fuß- und Radwegverbindungen sollen entstehen. Der ÖPNV muss entsprechend angepasst werden.

Warum ein Stadtentwicklungskonzept 2030 ?

Die bisherigen Ausführungen haben (hoffentlich) gezeigt, wie sehr die eigentlich separat aussehenden Stadtgebiete doch auch in wechselseitigen Beziehungen und Konkurrenzen stehen, selbst wenn diese hier exemplarisch unter dem Gesichtspunkt des Handels dargestellt worden sind. Daneben ist aber auch offenkundig, dass mit der Entwicklung eines neuen Viertels auch neue Verkehrsbeziehungen notwendig werden und diese lassen sich auch tatsächlich nur in einem Gesamtzusammenhang lösen.
Es würde also Sinn machen, zukünftige Stadtplanung nicht mehr auf den Aspekt eines einzelnen, kleinen Orts zu konzentrieren, sondern übergeordnete Ebenen des Stadt-Ganzen zu schaffen, von denen aus Ziele dann abgeleitet werden können.

Ganz besonders betrifft das die Frage der von der SPD unbedingt gewollten Bürgerbeteiligung, zu der übrigens nicht nur der/die einzelne Bürger/in zählt, sondern besonders auch Handel, Gewerbetreibende, Vereine etc. Diese sind bisher meist dann angesprochen worden, wenn es um einzelne, in ihren Auswirkungen lokal begrenzte Planvorhaben ging (Bsp. Deichenstegtrasse, Viehmarktplatz, Cerveteristrasse). Hier war an den Beteiligungszahlen oft gut ersichtlich, wie sehr das Interesse mit zunehmender Entfernung vom gerade aktuellen Entscheidungspunkt abnimmt.

Eine stadtweite Bürgerbeiteiligung an einer Meinungsbildung „Wie soll FFB in 2030 aussehen“ würde solche eher lokal begrenzten Befindlichkeiten auflösen und vielleicht auch vorhandene Konkurrenzen in der Verteilung der begrenzten Ressourcen deutlich machen können. Sie könnte aber auch Horizonte öffnen und zu einer Identitätsbildung beitragen, an der es vielleicht immer noch fehlt.

Außerdem ist bereits jetzt offenkundig, dass die Stadt FFB die Vielzahl der anstehenden Aufgaben und Wünsche nicht in einem Zug finanzieren und realisieren kann. Diese müssen über viele Jahre verteilt werden, so dass auch Prioritäten und Zeitabfolgen festgelegt werden müssen. Das muss nicht zum Schaden der Projekte sein, aber auch unter diesem Aspekt bedarf es einer integrierten und bürgerbeteiligten Gesamtplanung.